Franz Billmayer
Dieser Text ist (2017) erschienen in: Schwarzbauer, Michaela; Monika Oebelsberger (Hrsg.). Ästhetische Kompetenz – nur ein Schlagwort? Dokumentation einer Tagung der SOMA an der Universität Mozarteum Salzburg, Wien S.83-93
Themen sind Geschenke, wenn schon nicht für neue Erkenntnisse, dann zumindest für neue Sichtweisen. So bin ich sehr dankbar für das Thema „Ästhetische Kompetenz – nur ein Schlagwort?“, das mir Anlass und Gelegenheit gegeben hat, über die Begriffe ästhetisch und Kompetenz im Zusammenhang nachzudenken und mich dazu zu äußern.
‚ästhetisch‘
Ästhetisch ist (für mich) ein problematischer Begriff. Die Mehrheit der Sprachbenutzerinnen und -benutzer versteht darunter irgendetwas, das mit Schönheit, Harmonie oder Geschmack zu tun hat. [Das zeigen Umfragen, die ich immer wieder einmal bei Studierenden der Bildnerischen Erziehung mache.] In der kunstpädagogischen Literatur wird seit den 1970er Jahren ästhetisch vermehrt und oft synonym für künstlerisch verwendet. Damals unternahm Gunter Otto mit seiner Didaktik der Ästhetischen Erziehung (Otto 1974) den (erfolgreichen) Versuch, die Ideen der kunstkritischen Visuellen Kommunikation (Ehmer 1971) mit dem Kunstunterricht zu versöhnen. Das Gemeinsame zwischen den Ansätzen der kunstpädagogischen 68er Generation und dem eher traditionellen Kunstunterricht sah er im Ästhetikbegriff der Strukturalisten. [In Schweden ist die Diskussion damals ähnlich verlaufen. Am Ende hat man sich auf Bild als gemeinsamen Nenner zwischen Kunst und Alltagsästhetik geeinigt und auch das Fach an der allgemeinbildenden Schule so genannt.] Mit dem Begriff ist damals auch die philosophische Bedeutung von Ästhetik im Sinne einer besonderen, durch die Kunst vermittelten Weise des Weltzugangs zu einem festen Bestandteil kunstpädagogischen Denkens und kunstpädagogischer Überzeugung geworden. Für Lehrende im Bereich Bildnerischer Erziehung, die nicht laufend Texte der Fachdidaktik lesen, bedeutet der Begriff ‚ästhetisch‘ immer wieder eine Herausforderung. Beim Lesen von Fachliteratur müssen sie immer erst die Alltagsbedeutung wegkonstruieren und durch die Fachbedeutung ersetzen.
Die Verwendung des Begriffs ‚ästhetisch‘ anstelle von ‚künstlerisch‘ kann als Versuch verstanden werden, zwei grundlegende kunstpädagogische Annahmen zu retten: nämlich Kunst und Kunsterfahrung seien Gegenstände mit einem umfassenden Bildungsanspruch und sie seien allen vermittelbar. Es gibt noch einen weiteren Grund. Kunst stellt sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr als eine Szene unter vielen heraus, die wie andere Szenen auch den Zugang kontrolliert und darauf achtet, dass nur eine Minderheit mitmacht. Mit der Verwendung von ‚ästhetisch‘ anstelle von ‚künstlerisch‘ wird der Vorwurf, man sei auf (elitäre) Kunst fixiert, umgangen.
Ästhetische Erfahrung ist längst das zentrale Ziel der Konsumkultur, sie bestimmt die Rationalität des Handelns (Billmayer 2011; Ullrich 2013). Wer dieses Handeln in der Konsumkultur aus der Sicht der Kunst als oberflächlich abtut, setzt sich dem Vorwurf aus, das eigene Milieu zum Maß der Welt machen.
‚Kompetenzen‘
Der Orientierung an Kompetenzen im Allgemeinen und die Kombination der beiden Begriffe ‚ästhetisch‘ und ‚Kompetenz‘ im Besonderen stellen für zahlreiche Kunstpädagoginnen und -pädagogen ein Problem dar, viele lehnen die Kompetenzorientierung ab (z.B. Krautz 2010). Für mich hat die Beschäftigung mit dem Kompetenzbegriff und den Kompetenzen einen neuen Blick auf das Fach und seine Aufgaben und Pflichten ermöglicht (z.B. Billmayer 2007). Der Begriff hat mich aus meiner comfort zone (vgl. Blohm in diesem Band) gescheucht. Die Orientierung an Kompetenzen (learning outcomes) hat bei mir zu einem pragmatischen Blick auf die Kunstpädagogik als Dienstleistung (Billmayer, 1999) geführt.
Fachdidaktikerinnen und -didaktiker sind die Produktmanager für den Unterricht in einem Schulfach (Billmayer 1999). Wenn sie ihr Fach von Kompetenzen aus denken, bemühen sie sich um Antworten auf Fragen wie welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler und die Gesellschaft brauchen, welchen Beitrag dazu das eigene Fach leisten kann und mit welchen Inhalten und Methoden diese gebildet werden. Wenn sich herausstellt, dass Schülerinnen und Schüler die Kompetenzen schon besitzen, etwa weil sie diese in anderen Zusammenhängen schon erworben haben, dann ist es die Aufgabe der Fachdidaktik, darauf hinzuweisen. Wenn sich zeigt, dass dies der Fall ist, kann die Schule oder das Fach einen Teil des Unterrichts einsparen und die frei werdenden Ressourcen auf den Erwerb anderer Kompetenzen verwenden.
Visuelle Kultur
Visuelle Kultur umfasst all jene Bereiche, in denen mit Hilfe visueller Medien und deren Gestaltung symbolische Ordnungen generiert werden, „[…] mit denen sich die Handelnden ihre Wirklichkeit als bedeutungsvoll erschaffen und die in Form von Wissensordnungen ihr Handeln ermöglichen und einschränken“ (Reckwitz 2000, S. 84). Kunst ist ein Bereich der visuellen Kultur, ihr Wirkungsbereich ist auf ein bestimmtes Milieu begrenzt. Empirisch ist schwer zu argumentieren, dass Kunst reichere, wertvollere oder effizientere ästhetische Zugänge zur Welt bietet als andere Felder der visuellen Kultur, wie etwa Computerspiele (Zumbansen 2008), Filme, TV-Serien (Johnson 2006), Produkte des täglichen Konsums (Ullrich 2006) oder Tourismus. Allerdings hat die Kunst als ursprünglich bürgerliche ‚Szene‘ einen eigenen Diskurs, eine eigene Pädagogik und eine eigene Wissenschaft hervorgebracht.
Mit der Zunahme des allgemeinen Wohlstands, des damit verbundenen Produkt- und Medienangebots und der digitalen Medien haben sich Szenen und Diskurse ausdifferenziert und sich eigene Öffentlichkeiten geschaffen. Ein Blick auf das Angebot von Buchhandlungen zeigt, dass diese neuen Kulturen und Diskurse praktisch und theoretisch kaum erschlossen sind. Vom praktischen Standpunkt wird die Konsumkultur am ehesten in Illustrierten und Frauenzeitschriften behandelt, Konsumforschung wird bisher so gut wie nicht aus kulturwissenschaftlicher Sicht betrieben. Die deutschsprachige Kunstpädagogik blickt nach wie vor mit der Kunst- und Philosophiebrille in die Welt (Billmayer 2013) – vielleicht einfach deshalb, weil es wenig Literatur und noch weniger Unterrichtsideen für den Bau anderer Brillen gibt.
Selbst wer sich mit aktuellen medialen Veränderungen beschäftigt, verwendet dabei überwiegend die aktuelle Kunst als Beobachtungsplattform (z.B. Torsten Meyers medialogy.de). Es wird Zeit, dass wenigstens einige von uns ästhetische Szenen und Milieus außerhalb der Kunst ernst nehmen, ihre Ideen untersuchen und adaptieren. Alltag und die Konsumkultur(en) werden dabei nicht als oberflächlich und ihre Erfolge nicht lediglich als das Ergebnis von Manipulation durch Handel, Industrie und Medien verstanden – nebenbei bemerkt: Ich kenne keinen deutschsprachigen kunstpädagogischen Text, der etwa Kunstmuseen oder -ausstellungen unter dem Aspekt der Manipulation betrachtet.
Konsum
Unsere Kultur ist die Konsumkultur. In den reichen Gesellschaften bestimmt eine Mehrheit der Bevölkerung durch ihre Konsumentscheidungen kulturelle Produktion. Das betrifft das im historischen Vergleich riesenhafte Angebot im Supermarkt ebenso wie andere kulturelle Leistungen: Spektakuläre Verkehrsbauten wie Flughäfen und Brücken gibt es, weil viele mit dem Auto fahren und Flugzeuge für Reisen nutzen; viele Spieler ermöglichen die Produktion komplexer Computerspiele mit einem Etat von über 200 Millionen Euro; Museen werden gebaut, weil viele sich Reisen leisten. Damit passt die Idee einer kulturtragenden Schicht und einer Kultur nicht mehr auf die Realität. Vor der Konsumkultur werden alle anderen Szenen zu Subkulturen. Auf die Konsumkultur und ihre Codes beziehen sich alle, die fröhlichen Konsumentinnen und Konsumenten ebenso wie diejenigen, die den Konsum als Terror ablehnen. Code und Zeichen der Konsumkultur sind allgemein bekannt. Hier wird der Unterricht in Zukunft ansetzen.
Paradigmatisch für die Konsumkultur ist der Supermarkt, in dem sich alle Bevölkerungsschichten mit den täglichen Notwendigkeiten versorgen und deshalb mit den dort verwendeten Codes vertraut sind. Die Auswahl ist kulturelles Verhalten, wir sehen, was die anderen nehmen und wir ablehnen. So lernen wir intuitiv die geltenden visuellen und materiellen Codes unserer Kultur. Wer etwas über Gesellschaft und Kultur erfahren will, sollte deshalb in den Supermarkt gehen und die Produkte mit den Augen des Kulturwissenschaftlers betrachten (Ullrich 2015, S. 100).
Pragmatik
Weinert (2001, S. 27f.) versteht Kompetenzen als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“. Kompetenzen äußern sich in konkreten Situationen an bestimmten Problemen und werden, im Umkehrschluss gedacht, für die Bewältigung von Situationen erworben. Das ist eine pragmatische Sichtweise von Bildung und erscheint als ein möglicher Grund für die Ablehnung der Kompetenzorientierung in weiten Kreisen der deutschsprachigen Kunstpädagogik.
Wenn wir nach Kompetenzen fragen, dann müssen wir uns überlegen, bei welchen Problemen und in welchen Situationen, unter welchen Umständen wir ästhetische Kompetenz zur Bewältigung brauchen. In früheren Zeiten waren Konsumprobleme einer kleinen Schicht reicher Adliger und Bürger ‚vorbehalten‘. Der Rest lebte im Mangel und hatte keine Wahl. Der französische Semiotiker und Kulturpädagoge Bernard Darras kommt zu dem Schluss, dass sich die Kunstpädagogik immer noch an den Problemen des Müßiggangs von Adel und Bürgertum orientiert (Darras, 2015). Heute betreffen Herausforderungen, die der Markt an uns stellt, in Mitteleuropa eine große Mehrheit der Bevölkerung. Hier sind Kunden die Königinnen und Könige, denen die Marktforschung die Wünsche von den Augen abliest.
Zentral ist die Auswahl. Sie bringt Freiheit, kostet Zeit und Energie und macht uns Probleme. Wer einmal an einem großen All-You-Can-Eat-Buffet teilgenommen hat, kennt das Dilemma. Das Angebot übersteigt physische Vermögen unseres Körpers, wenigstens von jedem Gericht ein wenig zu probieren. Alles ist bezahlt, der Preis fällt als Auswahlkriterium weg. Der amerikanische Psychologe Barry Schwartz vertritt die Ansicht, dass die Auswahl in unserer Kultur mittlerweile so groß ist, dass die Nachteile die Vorteile überwiegen. Er nennt das The Paradox of Choice, so der Originaltitel seines Buches (Schwartz 2011). TED-Talk von Schwartz dazu.
Probleme
Schwartz beschreibt, wie die Wahlfreiheit zu Belastungen, zu neuen Formen des Mangels (an Zeit) und zu Unfreiheit führt. Der Schwerpunkt seiner Argumentation liegt auf der Frage nach Kosten und Nutzen: Was kostet etwas und was bringt es mir? Die von ihm beschriebenen Möglichkeiten und die daraus folgenden Unsicherheiten verlangen ein hohes Maß an ästhetischer Kompetenz. Selbst wenn ich mich im Discounter versorge, muss ich mittlerweile unter acht verschiedenen Zahncremes auswählen. In einem Drogeriemarkt habe ich an die hundert verschiedene gezählt. Damit wird die Auswahl zum Problem. Als halbwegs aufgeklärter Verbraucher meine ich zu wissen, dass sich die verschiedenen Produkte in ihrer Funktionalität so gut wie nicht unterscheiden. Die Differenzen liegen im Geschmack und in der Geschichte, die mir die Marke verspricht.
Die schiere Auswahl zwingt mich zu Entscheidungen, ich muss ein ästhetisches Urteil fällen.
Ich frage mich zunächst, welchen Geschmack ich während und nach dem Zähneputzen im Mund haben will. Das führt zur Frage, wer ich bin oder wer ich sein will: eher der sanfte Kräuter- oder der energiereiche Frischetyp. Bei der Entscheidung imaginiere ich mit Hilfe von Erinnerungen, wie das sein wird. Wenn es ein mir unbekanntes Produkt ist, dann versuche ich mir auf der Grundlage des Namens und der Beschreibung vorzustellen, wie der Geschmack sein könnte. Durch den Kauf beeinflusse ich das Wahrnehmungsangebot an meine Geschmacks- und Geruchsnerven und hoffe dadurch ein angenehmes Erlebnis zu haben. Ich orientiere mich nach innen und betreibe Situationsmanagement (Schulze 1995) für mich. Leider definiert die Situation allein noch nicht deren Verarbeitung: Was mir einmal geschmeckt hat, erweist sich ein andermal als schal. So bleibt immer ein Restrisiko. Oft ist mir bewusst, dass ich damit auch meine späteren Geschmacksinterpretationen beeinflusse, ich dadurch ein anderer werde und also lerne.
Die Zahnpasta wird in den nächsten Wochen in meinem Badezimmer stehen, zu dem Gäste Zutritt haben, weil sich darin auch unsere Toilette befindet. Weil sie die Bedeutungen (Karmasin 1998) kennen, können sie die Zahnpasta als Zeichen nutzen und auf meine Eigenschaften, Hoffnungen und Befürchtungen schließen. Statusfragen bestimmen also meinen Einkauf ebenfalls. Zumal die Konsumkultur eine individualistische Kultur (Karmasin / Karmasin 2011) ist, in der wir uns nicht einfach ein für alle Mal auf die Solidarität der Gruppe verlassen können, sondern deren Akzeptanz immer wieder aufs Neue erwerben und halten müssen. Soziale Gruppen sind heute oft durch gleichen Geschmack geprägt. Die Gruppen sind nicht mehr einheitlich, damit sind auch verbindliche und richtige Verhaltensregeln verschwunden. Wer nicht abgehängt werden will, muss sich laufend auf dem aktuellen Stand halten.
Alles was hier zu bedenken ist, sind Inhalte traditioneller Kunstpädagogik und der so genannten ästhetischen Bildung. Es geht um Wahrnehmung, Imagination, Identitätskonstruktion, Interpretation, Erkenntnis, Kommunikation.
Aber die Kunst
Die Konsumkultur wird in der Kunstpädagogik ebenso wenig thematisiert wie in der kulturellen Bildung. Über die Gründe dafür kann man so gut wie nichts lesen. Verbal äußern sich manche in mehr oder weniger öffentlichen Diskussionen. So bin ich weitgehend auf Spekulationen angewiesen.
Gerne werden Konsumprodukten Banalität und Trivialität unterstellt, während der Kunst Komplexität attestiert wird: Jene seien oberflächlich, diese tiefgründig und bedeutungsvoll. Dabei fällt man dann in eine ‚Objektästhetik‘ zurück, so als seien Komplexität, Trivialität und Banalität ontologische Eigenschaften der Dinge und nicht Zuschreibungen oder Interpretationskonventionen. Unterschiede bestehen im Diskurs und nicht in den Produkten. Wer Konsumprodukten die gleiche Umsicht und Sorgfalt zukommen lässt wie Kunstprodukten, findet in ihnen ähnliche Qualitäten. Wolfgang Ullrich hat das am Klassiker Duschgel mehrfach gezeigt (Ullrich 2009) und dabei heftigen Widerspruch bei Kunstpädagoginnen und –pädagogen ausgelöst.
Manche beziehen den Vorwurf der Oberflächlichkeit auf den ästhetischen Gebrauch, also die Wahrnehmung und ihre Interpretation durch die Konsumentinnen und Konsumenten. Sie bezeichnen diese als oberflächlich. Wer das macht, setzt den eigenen Geschmack und das eigene Wahrnehmen als richtig und wertvoll dem falschen und weniger wertvollen der anderen entgegen. Das lässt sich empirisch heute nicht mehr halten.
So muss die privilegierte Stellung der Kunst im Unterricht über die Idee der relevanten kulturellen Inhalte gerechtfertigt werden. Das wird allerdings massiv durch einen Vergleich der Mechanismen der Auswahl von Kunst in den Institutionen und der von Konsumprodukten in der Konsumkultur in Frage gestellt.
Die Auswahl der Kunstwerke in den Institutionen wird von der relativ kleinen Kunstszene getroffen. Sie wird von Künstlerinnen und Künstlern, Sammlerinnen und Sammlern, Kunsthändlerinnen und Kunsthändlern sowie Museumsleuten bestimmt, die aus einem eng gefassten sozialen und kulturellen Milieu stammen. Da Kunst weitgehend autonom gedacht wird, beziehen sich die anerkannten und gezeigten Kunstwerke in aller Regel auf Kunst.
Die Angebote im Supermarkt werden dagegen von den Kundinnen und Kunden bestimmt: Was sich schlecht verkauft, wird aus den Regalen genommen. Die Konsumprodukte beruhen also auf einer Auswahl, an der Konsumierenden aller Kulturen und Milieus beteiligt sind.
Vielleicht liegt die kunstpädagogische Ignoranz gegenüber der zeitgenössischen Kultur aber einfach darin begründet, dass es wenig Literatur und noch weniger Unterrichtsvorschläge zum Thema gibt. Das wird sich in Zukunft ändern.
Schicksal
Der scheinbar einfache Kauf einer Zahnpasta birgt, wie sich gezeigt hat, ein hohes Maß an Unsicherheit und erfordert hohe ästhetische Kompetenz. Diese Kompetenz wird täglich im Supermarkt und beim Zappen durch das Fernsehangebot trainiert. Das Training beginnt schon im späten Babyalter, wenn Eltern ihre Kinder in so komplexe Konsumentscheidungen wie die Planung des nächsten Urlaubs einbeziehen. Ästhetische Kompetenz hat sich längst vom Bildungssurplus zu einer Notwendigkeit entwickelt, der wir nicht mehr auskommen. Sie ist unser Schicksal.
Kulturelle Bildung wird sich in Zukunft darum kümmern, implizites ästhetisches Wissen explizit zu machen, und damit ihren Beitrag zur Aufklärung leisten.
Literatur
Billmayer, Franz (1999): Kunsterziehung als Dienstleistung. In: BDK-Mitteilungen (1999), Heft 3, S. 6–8
Billmayer, Franz (2007): Bildungsstandards für das Fach Bildnerische Erziehung. In: Fachblatt des BÖKWE (2007), Heft 1, S. 66–69..
Billmayer, Franz (2011): Shopping – Ein Angebot zur Entlastung der Kunstpädagogik. In: onlineZeitschrift Kunst Medien Bildung | zkmb, www.zkmb.de/index.php?id=73; (Stand: 29.5.2015)..
Billmayer, Franz (2013): Da schau her! Das beobachtet die Kunstpädagogik. In: ENGELS, Sodinie / PREUSS, Rudolf / SCHNURR Ansgar (Hg.): Feldvermessung Kunstdidaktik. München: kopaed-Verlag, S. 119–127.
Darras, Bernard (2015): Values of Arts and Cultural Education. In: VAN HEUSEN, Barend / GIELEN, Pasqual (Hg): Arts Education Beyond Art. Teaching Art in the Times of Change. Amsterdam: Valiz, S. 57–75.
Ehmer, Hermann K. (Hg.) (1971): Visuelle Kommunikation. Beiträge zur Kritik der Bewußtseinsindustrie. Köln: DuMont Schauberg.
Johnson, Steven (2006): Neue Intelligenz. Warum wir durch Computerspiele und TV klüger werden. Köln: Kiepenheuer und Witsch.
Karmasin, Helene (19982): Produkte als Botschaften (2. überarb. Aufl.). Wien &Frankfurt am Main: Ueberreuter.
Karmasin, Helene / Karmasin, Matthias (2011): Cultural Theory. Anwendungsfelder in Kommunikation, Marketing und Management. Wien: facultas.wuv.
Krautz, Jochen (2010): Kompetenz als „Fähigkeit zur Anpassung“. Zum Problem unkritischer Begriffsimporte in die Fachdidaktik. In: BDK-Mitteilungen (2010), Heft 2, S. 13f.
OTTO, Gunter (1974). Didaktik der Ästhetischen Erziehung. Braunschweig: Westermann
Reckwitz, Andreas (2000): Die Transformation der Kulturtheorien. Zur Entwicklung eines Theorieprogramms. Weilerswist: Velbrick Wissenschaft.
Schulze, Gerhard (19955): Die Erlebnis-Gesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt am Main et al: Campus-Verlag.
Schwartz, Barry (2011): Anleitung zur Unzufriedenheit. Warum weniger glücklicher macht. Berlin: Ullstein.
Ullrich, Wolfgang (2006): Haben wollen – wie funktioniert die Konsumkultur? Frankfurt am Main: S. Fischer.
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Ullrich, Wolfgang (2015): „Studien am Duschgel“ Interview von Uwe Wittstock mit Wolfgang Ullrich. In: Fokus (2015), Heft 21, S.98–100. https://ideenfreiheit.files.wordpress.com/2015/05/ohnmacht-der-kunst.pdf (Stand 29.5.2015)
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